Das Lager 1942

„Spät nachmittags kamen wir in Oloron an, von wo uns Camions in kurzer Fahrt ins Camp de Gurs brachten. Es regnete. Der größte Teil des Gepäcks wurde gesondert gefahren. Dies brachte bedauernswerte Schwierigkeiten insofern, als es viele Wochen dauerte, bis es gelungen war, den Eigentümern ihre Koffer und sonstigen Habseligkeiten aus dem zu einem hohen Berg aufgestapelten Gepäck auszusuchen. Viele Sachen blieben vermisst; bei vielen konnten die Besitzer nicht ermittelt werden. Besonders schmerzhaft waren jene Verluste, die dadurch entstanden, dass das Gepäck im Freien lag und dem Regen ausgesetzt war. Es war bereits dunkel geworden, als die Autos vor den Ilots (Blocks) hielten. Da standen sie, die Unglücklichen, die Vertriebenen nun bald in den Baracken, die ihre Unterkunft werden sollten auf unbestimmte Zeit. Werden es Monate, Jahre sein? Vom Regen durchnässt, frierend, von der langen beschwerlichen Bahnfahrt erschöpft, schauten sich die Menschen in den leeren Baracken nach einer Möglichkeit um zum Sitzen oder zum Liegen. Keinerlei Sitzgelegenheit bot sich ihnen. Am Boden Strohsäcke oder Stroh oder gar nichts! Auf ihrem Gepäck sitzend – soweit sie solches hatten – verbrachten viele, darunter über 70-und 80jährige Männer und Frauen, diese erste Nacht im Camp, körperlich und seelisch zerrüttet“. (Zitat eines Gefangenen)

Weihnachten in Gurs (Bild eines/r unbekannten Insassen)

Eingang der heutigen Gedenkstätte

Informationspavillon der Gedenkstätte Camp de Gurs

Jüdische Gräber auf dem Friedhof des Camp de Gurs

Das Internierungslager Gurs

"Camp de Gurs"

Der Friedhof von Gurs ist der größte Deportiertenfriedhof in Südfrankreich und war als "Camp de Gurs“ das größte Internierungslager, das 1939 in Südfrankreich am Fuße der Pyrenäen nahe der spanischen Grenze errichtet wurde. 

Ursprünglich für die Unterbringung von Soldaten der republikanischen Armee – der antifaschistischen Internationalen Brigarden – nach dem Ende des spanischen Bürgerkrieges vorgesehen, wurden bald unterschiedlichste Personengruppen aus politischen und rassistischen Gründen bis 1943 dort festgehalten. Insgesamt waren über 60.000 Menschen in Gurs interniert.

Voll ausgebaut maß es 79,6 Hektar und war von Stacheldraht umgeben. Auf dem Gelände wurden nochmals „kleine Inseln“ (îlots) abgezäunt, die aus jeweils 25 bis 30 Baracken bestanden. Männer und Frauen waren getrennt untergebracht.

Bekannt wurde dieses Lager vor allem in Südwestdeutschland durch die spätere Deportation von Juden aus Deutschland. Fast die gesamte jüdisch-deutsche Bevölkerung aus Baden, der bayerischen Pfalz und der Saarpfalz wurde im Oktober 1940 von Nationalsozialisten  und deren französischen Kollaborateuren nach Gurs transportiert.

Für viele der Deportierten war Gurs nur Zwischenstation in die Konzentrationslager des Ostens. Ab März 1942 veranlasste der Leiter des Judenreferates der Gestapo und Bevollmächtigte Eichmanns in Frankreich, Theodor Dannecker, Transporte nach Auschwitz, Lublin-Majdanek, Sobibor und in andere Vernichtungslager, wo die meisten kurz nach ihrer Ankunft ermordet wurden. 

Der erste Transport verließ Gurs am 6. August 1942 und fuhr über Drancy bei Paris „mit unbekanntem Ziel“ Richtung Osten. Ab 1941 gab es auch gelegentliche Verlegungen von Gurs in andere französische Lager. So kamen im Frühjahr desselben Jahres kinderreiche Familien in die Lager Rivesaltes oder Récébédou, was der jüdischen Hilfsorganisation O.S.E. (Oeuvre de Secours aux Enfants) ermöglichte, aus diesen Lagern mehrere hundert Kinder zu retten.

Über die Situation in Gurs, die katastrophalen hygienischen Zustände und die mangelhafte Verpflegung, liegen zahlreiche erschütternde Briefe und Augenzeugenberichte vor. 

Der Beauftragte einer Schweizer Hilfsorganisation, R. Olgiati, der am 16. Januar 1941 das Lager Gurs besuchte, fasste seine Eindrücke unmittelbar nach seinem Besuch in einem ausführlichen Bericht zusammen: 

„Die niederen Holzbaracken sind von primitivster Bauart, mit undichten Wänden, durchlöchertem Boden. Ursprünglich hatten sie keine Fenster und auch jetzt besitzen nur wenige diesen Luxus, so dass die Insassen sich den ganzen Tag in völliger Dunkelheit befinden, nur abends werden während einiger Stunden die vorhandenen spärlichen elektrischen Lampen unter Strom gesetzt. Die wenigen Waschgelegenheiten befinden sich außerhalb der Baracken und sind sehr oft defekt, während der Kälte eingefroren. Die W.C. befinden sich ebenfalls außerhalb der Baracken und sind halb offene Verschläge mit Kübeln, wie sie auf Bauplätzen zu sehen sind. Das Allerschlimmste ist der Lehmboden, der durch die vielen Regenfälle dieser Gegend und durch das viele Begehen in ein Schlamm-meer verwandelt wurde, das vielfach ganz unpassierbar ist und das bewirkt, dass das Herausgehen aus den Baracken für die Alten und Schwachen zur Unmöglichkeit wird. Die aus dieser Tatsache folgenden gesundheitlichen und hygienischen Zustände sind unbeschreiblich."

 

Wer auf Lagerkost allein angewiesen war, ging in wenigen Monaten zugrunde. Die tägliche Nahrung enthielt nach ärztlicher Berechnung rund 800 Kalorien (wobei ein nicht arbeitender Erwachsener normalerweise über 2000 Kalorien benötigt) und bestand aus 300 Gramm Brot, 60 Gramm Fleisch (inkl. Knochen) und zweimal täglich dünne Suppe aus Mohrrüben mit spärlichen Nudeleinlagen. 

Unterernährung, Epidemien und außerordentliche Kälte forderten viele Opfer.

Das Lager wurde im November 1943 von den Vichy-Behörden geschlossen; die verbliebenen Häftlinge wurden in das Camp de Nexon überstellt. 

1944 wurde das Lager erneut geöffnet, um dort Regimegegner gefangen zu halten. 

Nach der Befreiung wurde das Lager zur Inhaftierung von Kollaborateuren und deutschen Kriegsgefangenen genutzt.

1946 wurde es geschlossen und anschließend abgebaut. Auf dem größten Teil des Geländes wurde ein Wald gepflanzt – die Erinnerung an dieses Lager, das ständig unter französischer Verwaltung gestanden hatte, sollte verdrängt werden.

Im Jahr 1947 beschlossen ehemalige Internierte bei ihrer Rückkehr nach Gurs ihren Kameraden, die in fremder Erde begraben lagen, eine würdige Grabstätte zu geben. Auf Anregung des Karlsruher Oberbürgermeisters, Günther Klotz, sowie des Präsidenten des Oberrates der Israeliten Badens, Otto Nachmann, und seines Sohnes Werner, erfolgte daraufhin ein Hilferuf an die Körperschaften des Landes Baden. Vom Frühjahr 1961 bis zum Herbst 1962 wurde nach Entwürfen des Planungsamtes der Stadt Karlsruhe ein Friedhof errichtet für die 1270 jüdischen Bürger und Bürgerinnen aus Baden und der Pfalz, die hier begraben sind. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland setzen sich für den Erhalt des Friedhofs ein.

Seit 1994 ist das Lagergelände eine nationale Gedenkstätte, welche die Erinnerung an die Geschichte des Lagers und an seine Insassen (Flüchtlinge, Widerstandskämpfer und deutsche Juden), an alle Misshandelten und Ermordeten wachhalten soll. Es wird vom Förderverein Amicale du camp de Gurs mit Sitz in Pau betreut. Das Gelände ist frei zugänglich.

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